Hoffnung, die sich verzögert, ängstet das Herz;
wenn aber kommt, was man begehrt, das ist ein Baum des Lebens.
Sprüche 13,12
Seit Tagen warte ich auf die Antwort auf eine E-Mail, die ich geschrieben habe. Diese Woche habe ich 10 Tage auf die Lieferung der Schulkleidung gewartet, die schon lange unterwegs war, aber einfach nicht ausgeliefert wurde. Tagelang habe ich auf den neuen Stundenplan gewartet, denn ich wollte endlich wissen, wie ich meine Tage einteilen kann. Ich habe das Gefühl, die meiste Zeit meines Lebens besteht aus Abwarten.
Das war schon ganz früher so. Ich erinnere mich gut, dass ich es im Kindergarten kaum abwarten konnte endlich in die Schule zu kommen. In der Grundschule konnte ich es kaum abwarten endlich zu den Großen zu gehören und dann endlich die Schule zu wechseln. Dann habe ich den Schulabschluss herbeigesehnt, dann das Ende der Prüfungen in Studium und Referendariat. Ich wartete auf das gemeinsame Leben mit meinem Mann, auf Schwangerschaften, dann habe ich auf die Geburt meiner Kinder gewartet und am Ende wieder darauf, dass diese mit der Schule fertig und erwachsen sind.
So erscheint das Leben kurz zusammengefasst als ein Warten auf etwas. Wenn ich das Ersehnte erreicht habe, steht aber direkt das nächste Wartezimmer vor mir. Immer wieder kommt man am Ziel an und merkt, dass es dahinter wieder weiter geht. Und dann strebt man auf das nächste Ziel zu. Mal wartet man auf Nachrichten und Anrufe, mal auf das Gesund werden, dann auf den Urlaub, mal auf das Wiedersehen mit lieben Menschen und mal auf anderes Wetter....
Es gibt eigentlich keine Zeit, in der es nicht etwas gibt, auf das wir warten und immer wieder stehen wir vor verschlossenen Türen und fragen uns, ob wir weiter warten, oder die Tür eintreten, durchs Fenster klettern oder einen ganz anderen Weg suchen sollen.
Das Warten gehört zu unserem Leben dazu. Immer wieder müssen wir uns aber bewusst machen, dass der größte Teil des Lebens vergeht, während wir auf etwas warten. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Zeit zu anderem nutzen, während wir warten.
Der Grossteil des Lebens besteht nämlich nicht aus erreichten Zielen, sondern aus den Wegen zu diesen Zielen. Wie gut, wenn wir diese Wege nicht mürrisch, ungeduldig oder mutlos gehen, sondern hoffnungsvoll, mit Freude und Blumen pflückend. Während ich heute wieder auf Nachrichten und offene Türen warte, werde ich bewusst jeden Moment des Lebens einatmen und nutzen.
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