Ein Mensch erkennt im bittern Zorn,
dass keine Rose ohne Dorn.
Doch muss ihn noch viel mehr erbosen,
dass sehr viel Dornen ohne Rosen.
Eugen Roth
Wenn ich die verblühten Rosen an meine Rosenstrauch abschneide, muss ich schwer aufpassen, denn die Dornen an dem Busch sind sehr spitz und stachelig. Wenn nun trotz aller Vorsicht eine Dorne in meiner Haut stecken bleibt, gibt es normalerweise ja nur eine Reaktion. Ich ziehe sie mir so schnell wie möglich wieder raus.
Was wäre denn, wenn ich mich ganz anders verhalten würde. Wenn ich den Stachel dort lassen würde, würde jede weitere Berührung an dieser Stelle noch größere Schmerzen verursachen. Jeder Umarmung würde ich aus dem Weg gehen. Ich könnte nicht mehr auf dieser Seite schlafen, alles was mir an dieser Stelle zu nahe käme, würde mich wieder an die schmerzende Stelle erinnern. Ich könnte natürlich ein Polster um die Dorne machen, so dass sie geschützt ist und nicht so leicht noch tiefer in die Haut eindringt.
Ich kann beginnen, mein Leben neu um diese Verletzung herum zu gestalten und irgendwann sagen, dass ich mit dieser neuen Situation gut zurecht komme. Wenn ich mich entsprechend einschränke, dann geht es mir gut. Kein Mensch würde so leben wollen.
Und doch machen wir es immer wieder. Denn wenn uns andere verletzten und berauben, uns im Stich lassen oder uns schlecht behandeln, dann ist das wie ein Stachel in unserem Leben. Aber statt diese Dornen wieder zu entfernen, lassen wir sie da. Wir merken oft gar nicht, dass das Festhalten an Verletzung, Groll und Enttäuschung, so sehr sie auch berechtigt ist, mein eigenes Leben klein und unfrei macht.
So wie es dem Rosenstrauch ziemlich egal ist, was ich mit seinen Stacheln mache, so ist es oft den anderen Menschen auch egal, ob ich weiterhin sauer und verletzt bin. Wir denken so oft, wenn wir vergeben, machen wir das für die anderen Menschen, dabei ist es vor allem mein eigenes Leben, dem ich Gutes tue und Freiheit schenke. Die Vergebung ist das Entfernen der Dornen in meinem Herzen und nur wenn ich die Stacheln entferne, kann die Verletzung heilen.
In welcher Freiheit könnte ich leben, wenn nicht mehr irgendwelche Stacheln und Verletzungen mein Leben einschränken...
Und so wie zu einem Rosenstrauch die schönen Blüten und die Dornen zusammen gehören, so ist in jeder Begegnung mit anderen Menschen sowohl Liebe, wie auch Enttäuschung möglich. Aber nur weil der Strauch mich gestochen hat, werde ich ihn nicht ganz absägen, sondern mich weiter an seinen Blumen freuen...
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