Durch die Brille der Selbstverständlichkeit ist kein Glück zu sehen.
Rainer Kaune
Gestern war ich mit meinem Fotografiekurs unterwegs und die Schüler hatten den Auftrag zu einem Thema alles zu fotografieren was sie finden. Entweder "alles was rund ist" oder "alles was alt ist" oder "alles was aus Metall ist". Auf dieser Tour hat dann jede Gruppe ganz andere Dinge entdeckt und jeder hat das gefunden, was er gesucht hat.
Wir finden oft, genau das was wir suchen und erwarten. Das kennen wir besonders gut von verliebten Menschen, die beim anderen nur Gutes entdecken, weil sie ihn durch die berühmte rosa Brille sehen. Wir wissen aber auch alle, dass diese rosa Brille allmählich verblast und dann habe ich die Chance den anderen so zu sehen wie er wirklich ist. Sehr viele sind dann von dieser Wirklichkeit so enttäuscht, dass sie dann eine graue Brille aufsetzen und am Ende an dem anderen kein gutes Haar mehr lassen.
Es ist aber nicht nur bei verliebten Menschen so, dass sie andere durch komische Brillen sehen. Das kann man in jeder Begegnung mit anderen Menschen machen. Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass jemand nur noch die schlechten Seiten an einem sehen kann. Wenn ich natürlich darauf achte, werde ich bei jedem Menschen etwas schlechtes finden, denn wir sind ja alle nicht perfekt. Wenn ich aber nur noch das Schlechte zusammen zähle, wird die Brille immer dunkler und am Ende sieht man nichts mehr von dem Guten, was eben auch ein Teil des Menschen ist.
Gegen solche Brillen ist man ziemlich machtlos. Denn so wie ich lauter runde Dinge finde, wenn ich runde Dinge suche, so finde ich auch lauter Fehler, wenn ich sie bei jemanden suche. Und je mehr ich davon finde, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass der andere nur noch schlecht ist. Das schlimmste dabei ist jedoch, dass selten jemand merkt, was für eine Brille er auf hat.
Wie gut wäre es, wenn wir unsere ganzen Brillen der Vorurteile abnehmen könnten und die anderen Menschen so sehen würden, wie sie eben sind, mit ihren Stärken und Schwächen. Wie viel besser wäre es aber noch, wenn wir andere durch die Brille der Liebe sehen. Nicht rosarot, sondern mit Offenheit und Zuneigung. Wenn wir nämlich das Gute im anderen sehen, dann wird das auch immer größer.
Wünschen wir uns nicht alle, dass wir liebevoll gesehen werden? Vielleicht ist ein wichtiger Schritt dazu andere liebevoll sehen zu lernen, auch der, sich selbst mit Liebe anzusehen. Niemand muss perfekt sein, weder ich noch die anderen und jeder ist es wert liebevoll angesehen zu werden.
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