Das Menschenauge kann von der Wirklichkeit nur erfassen, was seiner Aufnahmefähigkeit entspricht.
Michel Eyquem de Montaigne
Schon länger habe ich gedacht, dass sich der Blick auf die momentane Corona Pandemie bestimmt noch einmal verändert, wenn man die ersten Menschen kennt, die es betrifft. So lange man immer nur von Zahlen und Kurven hört, ist alles relativ abstrakt und man bleibt unbeteiligt. Es vergleichbar mit dem Foto, von dem Blick aus dem Fenster einer Hütte im Wald. Ich sehe den Wald und die Bäume und doch ist es etwas anderes, wenn ich tatsächlich im Wald stehe, um die Bäume herumgehen kann und die Vögel singen höre.
Gestern hat mich nun die Nachricht erreicht, dass einer der wenigen Sterbefälle hier im Kreis Siegen tatsächlich jemand ist, den ich kenne, mit dem ich mich schon öfters unterhalten habe und von dem ich ein Gesicht vor Augen habe. Es ist niemand aus dem Freundeskreis, aber es macht schon einen Unterschied, dass ich denjenigen kannte. Die Person war nur wenige Jahre älter als ich und hatte, nach meinem Wissen auch keine nennenswerten Vorerkrankungen, zählt also überhaupt nicht zu der oft genannten Risikogruppe.
Einen Menschen vor Augen zu haben und nicht nur eine Zahl macht tatsächlich einen Unterschied, denn dadurch wird die Bedrohung durch diese Krankheit viel realer. Ich möchte keine Panik verbreiten, aber es wäre auch falsch, diesen Virus als harmlos herunter zu spielen, so wie es ursprünglich Trump und Johnson gemacht haben. Das Ausmass dieser falschen Einschätzung sieht man nun jeden Tag in den USA und in Grossbritannien.
Panik ist keine Lösung, aber es ist richtig, wenn wir die Lage ernst nehmen. Ich habe keine Angst vor dem Virus, aber ich kann direkt ein paar Menschen in meiner näheren Umgebung aufzählen, von denen ich mir wünsche, dass sie die Krankheit auf keinen Fall bekommen sollten. Und ich möchte mein Möglichstes dazu beitragen, um diese zu schützen.
Es macht mir auch noch einmal bewusst, wie gut es mir geht, wenn ich jeden Morgen gesund aufstehen kann und ich alles habe, was ich zum Leben brauche. Denn vielen anderen geht es nicht so.
Comentários